Samstag, 3. September 2011

Spuren lesen

Ich hinterlasse gerne Fußspuren. Also im übertragenen Sinne. Ich freue mich jedesmal aufs Neue, wenn ich bemerke, dass ich auf etwas oder auf jemanden nachhaltig Einfluss genommen habe. Das ist gar nicht so schwer, wie man vielleicht denkt. Zum Beispiel, wenn man am späten Abend gefragt wird, auf welchem Weg man am schnellsten zum Kottbusser Tor kommt. Einfach mal demjenigen empfehlen mit der S-Bahn Richtung Spandau zu fahren und am Pichelsberg aussteigen, "Von da aus kann man das locker erlaufen". Na gut, das ist natürlich die vollkommen andere Richtung, zusätzlich im völligen Niemandsland und mit ein bisschen Glück hat er gerade die letzte S-Bahn für den Hinweg benutzt, so dass er bis Vier Uhr morgens auch noch da festhängt.
Da liegt die Kneipenmeile am Pichelsberg - und 20 Km daneben die vom Kotti
ABER! man stelle sich nun bitte vor was dieser Ortsunkundige nun für eine coole Geschichte zu erzählen hat. "Ich wollte mich eigentlich nur mit meinen Berliner Freunden in einer Bar am Kotti treffen, aber so ein verrückter Sachse mit Strubbelhaaren hat mich in die völlig falsche Richtung gelotst und nun hänge ich hier am Arsch der Welt fest." So wäre vielleicht der Anfang seiner packenden Story. Und noch etwas Positives wird er dieser einsamen Nacht abgewinnen können. Wann hat man schon mal die Möglichkeit in völliger Stille und ohne eine Menschenseele eine Nacht nur für sich zu haben und sich einmal über die wirklich wichtigen Dinge im Leben Gedanken zu machen? Bin ich wirklich glücklich in meiner Beziehung? Verschwende ich mein Potential? Und vor allem wie mache ich jemanden ausfindig und lasse ihn dann beseitigen, wenn ich diese Person nur kurz gesehen hab, als ich nach dem Weg fragte?
Ich mein wie hätte denn die Alternative ausgesehen, wenn ich nicht eingegriffen hätte? Eine weitere bedeutungslose Nacht? Freunde mit denen man nur noch in alten Geschichten schwelgt? Sinnloses Besaufen bis man seine Sorgen vergisst? Ich musste einfach mit helfender Hand eingreifen ... und außerdem wollte ich den Punkt "Einen Tourist, welcher nach dem Weg fragt, wissentlich in die Falsche Richtung schicken" von meiner "Berlin-Liste" abhaken (check)
Sicher, man muss auf seine Umwelt und Mitmenschen nicht zwingend so hinterhältig Einfluss nehmen, um Fußspuren zu hinterlassen. Manchmal reicht auch schon eine lustige Gruppe von netten Leuten, ein alkoholgeschwängerter Männertag und das Bedürfnis keinen 08/15-Shot zu trinken aus, damit man die Welt verändert. So hatte uns nämlich der Drang erfasst einen ... öchem ... ich sag mal interessanten Kurzen trinken zu wollen: "Den Mexikaner" Eine Mischung aus Tomatensaft, Wodka und Tabasco, welchen der Barkeeper nicht kannte, uns aber dennoch freundlicherweise mixte. Als dann beobachtet wurde, wie er das für ihn neue Getränk auch probierte, stellte man ihm die Frage. "Und? Geil und haut rein, oder"? Woraufhin er antwortet: "Ja, rein hau'n tut er, aber geil isser nich'"
Letztens bin ich wieder in jener Bar gewesen und siehe da: Der Mexikaner wurde mit ins Sortiment aufgenommen. Als wir dann einen Mittelamerikaner bestellten (irgendwie muss man ja die Wortwiederholung von Mexikaner vermeiden) und unsere Geschichte vom Männertag erzählten gab es als Reaktion ein "Ach, ihr wart das!"
Mir ist wohl bewusst, dass ein verirrter Tourist und die Verbreitung von einem Shot, für die Welt eher von marginaler Bedeutung sind, aber diese Beispiele lassen sich nun auch auf gewaltigere Projekte adaptieren. Ich glaube das zählt mit zu den wichtigsten Dingen in meinem Leben, Fußspuren zu hinterlassen ...

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