Es regnet. Eine Armada
aus schweren Tropfen fällt auf Berlin. Es werden Regenschirme
aufgespannt und die Menschen laufen mit gesenktem Haupt den
stürmischen Böen entgegen. Alle kämpfen auf ihre Weise gegen den
Regenschauer und jeder ist auf sich allein gestellt. Ich beobachte
wie sich eine alte Frau auf dem Trottoir entlang kämpft. Ich würde
sie auf mindestens 80 schätzen, aber ich bin im Schätzen recht
schlecht, deswegen gebe ich ihr einfach das Attribut vergreist. Auf
einen Stock gestützt bahnt sie sich ihren Weg gegen das Wetter,
Schritt für Schritt. Bei ihr besonders hart entgegen schlagenden
Winden pausiert sie für einen kurzen Moment und hält die Hand vor
ihr mit tiefen Furchen durchzogenes Gesicht. Es ist so als würde
allein schon ihr Äußeres Geschichten von den vielen Jahrzehnten,
die sie durchlebt hat, erzählen, ohne dass sie den Mund öffnen
müsste. Menschen eilen an ihr vorbei und die Frau kämpft mit
verbissenen Gesichtsausdruck ihren einsamen Kampf.
Ein Hund kommt auf sie zu
gelaufen. Mit wedelnden Schwanz und nicht im geringsten durch das
Wetter negativ beeinflusst, beschnüffelt er die Frau samt ihres
Gehstockes. Ihre Gesichtszüge ändern sich auf der Stelle und
freudestrahlend beginnt sie auf den kleinen Vierbeiner einzureden.
„Na du bist aber ein Süßer“ Wie so eine simple Begegnung mit
einem kleinen Terrier einem doch den Tag versüßen kann. „Na du
kleiner Racker“ Gewitter, die Schmerzen in den Gelenken oder der
noch vor ihr liegende lange Weg, alles ist auf einmal vergessen. „Ein
ganz Feiner bist du“ Besonders scheint sich das Fellknäul für den
Gehstock der alten Dame zu interessieren. „Na wie heißt du denn?“
Schnüffelnd umkreist er den Stock ein paar Mal. „Na wo ist denn
dein Herrchen?“ Bis er schließlich stehen bleibt und sich einen
kurzen Moment umschaut. „So ein lieber Hund bist du“ Dann hebt er
das Bein, pisst der Frau an den Gehstock und verschwindet.
Da hab ich mir so
gedacht: Das Leben ist manchmal ein ganz schönes Arschloch.
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