Es gibt 3 Gründe warum ich die Stadt, welche wir beschrieben sollen, nicht beim Namen nenne, sondern ein Synonym verwende.
Erstens: Ich will auf keinen Fall den Unmut der Bürger des Städtchens auf mich ziehen. Obwohl das hier Geschriebene nicht zu Einhundert Prozent ernst zu nehmen ist, sondern - wie in der Vorlage - nur zum Überdenken des Status Quo anregen soll, könnten dennoch einige der negativen Formulierungen den betreffenden Leuten sauer aufstoßen.
Zweitens: Es macht meiner Meinung nach einen deutlich kreativeren Eindruck, wenn mehr Text zu lesen ist "Die Stadt, die genauso interessant ist wie die Harzreise" ist nun einfach mal viel länger als das normale, konventionelle, öde und stupide ... (Ups, jetzt wäre mir der richtige Name fast raus gerutscht)
Drittens: Ich will auf jeden Fall meine geringe Wertschätzung gegenüber Heinrich Heines "die Harzreise" zum Ausdruck bringen. Es ist nicht so, dass Heine keine Schreibkunst besäße (das ist allem Anschein nach ja auch schon vielen Anderen aufgefallen), aber in mir sträubt sich aus Prinzip immer etwas, wenn ich ein Buch aus Unterrichts technischen Gründen lesen MUSS.
Doch zurück zu meiner eigentlichen Aufgabe: das Beschreiben der Stadt, die genauso interessant ist wie die Harzreise.
Ich trete aus dem Tor heraus, und was fällt mir als erstes auf? Der Dom. Schwarz und dunkel thront das Relikt der alten Kirchenmacht wie ein Mahnmal über der Stadt. Es ist sicherlich ein imposantes Bauwerk, doch es hat so ziemlich den gleichen Mangel als einladender Charakteristik, wie die Bürger hier. Nachdem ich mich vom in dieser Stadt immer gleichen ersten Eindruck gelöst habe (denn der Dom ist beinahe überall zu erkennen und daher auch der erste Blickfang ), schaue ich direkt auf ein baufälliges, heruntergekommenes und schäbiges Haus. Und nach diesem ersten und zweiten Eindruck wird mir klar, warum niemand auf die Idee kommen würde, diesem Ort das Prädikat Weltstadt oder Metropole zu verleihen, sondern vielmehr die vorherrschende Meinung ist, dass es sich hier um ein Kaff handelt.
Wenn es etwas Neues und Unbekanntes zu entdecken gibt, spricht man gerne davon, dass man Neuland betritt. Doch hier kommt jeder Schritt in einen bisher unbekannten Teil der Stadt, mir eher vor, als würde man ALTland betreten. Das Modernste, welches ich bemerken kann, ist das entfernte Hupen eines - offensichtlich am Wochenende genauso wie ich erholten - Autofahrers, welches aus einiger Distanz vom anderen Hügel tönt und nur noch verzerrt wahrzunehmen ist. Der Autofahrer befindet sich wahrscheinlich - genauso wie meine Wenigkeit gerade - auf einem sehr unbequemen und sogar abweisenden Kopfsteinpflaster. Warum muss in einer Stadt im 21. Jahrhundert Kopfsteinpflaster der vorherrschende Straßenbelag sein? Aus Tradition? Vielleicht um die historische Ursprünglichkeit für die Touristen zu bewahren? Nein! Dieser Fakt steht meiner Meinung nach, für eine grundsätzliche Einstellung und lässt sich als Analogie auch auf ein allgemeines Verhaltensmuster übertragen.
Die einfältigen Bürger verwehren sich dem Fortschritt nicht aus Tradition oder aus Respekt der Geschichte gegenüber, und sollten sie dies von einem der Einwohner zu hören bekommen, müssen sie wissen, dass diese Rechtfertigungen nur vorgeschoben ist. Der wahre Grund liegt für mich vielmehr darin, sich seine ruhige, kleinbürgerliche Spießerwelt aus Skepsis dem Fortschritt gegenüber nicht zerstören lassen zu wollen. An alten Dingen festhalten bedeutet in dem Fall, Neues meiden, die Zukunft verhindern. Doch ich kann dieser Einstellung schon ein Stück weit Verständnis entgegen bringen. Wer sich entscheidet hier zu leben, entscheidet sich für die Vergangenheit und gegen die Zukunft. Auch für mich wird irgendwann der Schritt kommen, mich dieser Entscheidung zu stellen, um mich nicht in meinen Erinnerungen zu verlieren, sondern der Zukunft entgegen zu treten. Meiner Vergangenheit den Rücken zu drehen und nach vorne blicken?; ein schwieriger Prozess, und ich werde erst in einigen Jahren sehen, ob ich ihn gemeistert habe.
17.03.2004
Fortsetzung folgt ...