Montag, 8. August 2011

ebrius

Es gibt zwei Arten von Betrunkenen. Jene mit denen der Abend mehr Spaß und jene mit denen der Abend weniger Spaß macht. Ich bin neulich im Bus einem Mann begegnet, welchen ich zur ersten Kategorie zählen würde. Eine Frau ist an dem selben Abend, dem selben Mann begegnet, allerdings gehörte er da zur zweiten.

Ein treuer Wegbegleiter?
Samstag Nacht. Ich sitze im obersten Stockwerk des Busses. Also im zweiten. Da höre ich wie ein Typ die Stufen hoch rumpel-pumpelt, ja man könnte auch sagen er fällt die Treppe rauf. Sein Grad der Trunkenheit hat wohl schon jenes Stadium erreicht, in welchem seine Füße nicht mehr vom Kopf regiert werden. Es wirkt fast so, als ob seine unteren Extremitäten nicht die Gebeine seines Hirns, sondern die Beine meines Gehirns wären. Denn ich denke: „Torkel! Torkel! Stolper! Hopp!“ und er bewegt sich in diesem Rhythmus. Der Alkohol hat es offenbar auch geschafft, seine verbalen Funktionen, in die selbigen mit einem „Dis-“ als Präfix zu verwandeln. Und so lallt er wie am Ballermann auf Mallorca. Das bekannte mallelallen also.
„'allo“ „Na wiih jeht's“ „Wo fahrdn ihr hin? „Und wo fahr ick eijendlich hin?“ Immer ununterbrochen unterbrochen von einem Schluck aus seiner Bierpulle.
Ehrlich gesagt alles eigentlich nichts wirklich Auffallendes oder Berichtenswertes, denn wenn man nachts durch Berlin fährt, sieht man sicherlich merkwürdigere Gestalten. Wie beispielsweise das Obdachlosenpärchen, welches nackt in der U9 übernachtet, oder der Typ, welcher die Leute nach einer Zigarette fragt, um sie, wenn er eine bekommen hat vor den Augen des großzügigen Spenders zu zerbröseln mit dem Kommentar: „Rauchen macht impotent, also … gern geschehen“. Aber das sind ganz andere Geschichten.
Meine Mitfahrer beginnen sich derweil über den fröhlichen Trunkenbold zu amüsieren und erfreuen sich an seiner Redseligkeit. Im Bewusstsein die Quelle ihres Lachens zu sein, ruft die Schnapsdrossel nun quer durch den Bus: „Ey, die lachen übber mich Schatsi.“
Und er redet nicht wirr, sonder wahr, denn schon sehe ich, wie seine Partnerin nach oben kommt, einige Zeit nach ihm, da sie sich wohl noch um die Fahrkarten kümmern musste oder einfach nicht mit ihm gesehen werden wollte. Das nun eigentlich Lustige an der ganzen Situation ist, dass dem „Schatzi“ überhaupt nicht zum Schmunzeln zumute ist, da sie offenbar vollkommen nüchtern ist. Während die obere Etage des Busses also freudig und gespannt auf einen neuen Grund zum Lachen wartet, setzt sich die eisige Miene samt Frau neben den eifrig erzählenden Entertainer, welcher immer noch sein Bier in der Hand hält. Und als sie alle ist, die Pulle, rückt er ihr auf die Pelle. Richtig begeistert davon ist sie nicht. Ich denke mir, dass sie so aussieht, als ob sie sehr gehofft hätte, er würde in das Stadium des schweigenden und selig schlummernden Säuglings verfallen. Mein Gedankengang hat die Freundin offenbar auf eine Idee gebracht. Wie die Milchflasche dem Baby, gibt sie ihrem „Liebling“ ein Bier aus ihrer Handtasche.
Sein echter Name: Michael Skowronek
Der erhoffte Erfolg bleibt allerdings aus, denn nun fühlt sich der „Blaumann“ dazu veranlasst ein Ständchen zu … ich sag mal „singen“. Der alkoholisierte Betrunkene (Ha! Ob jemanden der Pleonasmus auffällt?) versucht die Fahrgäste in einen dreistimmigen Kanon einzuteilen, doch es bleibt bei einem Soloauftritt. „Sie liebt den DJ“ schallt nun durch den Bus. Und seine Freundin? Keine Ahnung wen die liebt, aber zumindest schämt sie sich in Grund und Boden. Ach, wie glücklich sind doch die Unwissenden, denn während er jede Menge Spaß mit den besten Hits vom Wendler hat, malt sich seine Freundin wohl schon das Gespräch der Beiden am nächsten Morgen aus und jede weitere Strophe ist dabei neue Munition gegen ihn.
Und dann frage ich mich, wie es wohl dem Kätzchen in seinem Kopf geht. Ja genau! Dem Kätzchen. Und wie geht es dem Mietzekätzchen erst morgen früh? Obwohl ein richtiges Kätzchen ist es dann nicht mehr, eher schon ein fetter Kater.
Bei den Fahrgästen kommt seine Performance nicht so gut an. Das durch fremdschämen verursachte nun stille Schweigen (Da, Schon wieder! Jemand gemerkt?) der Mitfahrer macht den Trunkenbold irgendwie sauer. Boah der wird so sauer. Und wie sauer der wird. Geradezu 'ne gefährlich Sau … und dann ist auf einmal Ruhe, also quasi Schluss im Bus. Denn das so für einander geschaffene Paar verlässt den Bus und damit auch mich.

Als ich aus dem Fenster hinaus blicke, sehe ich die Beiden Arm in Arm den Bus verlassen. Und dann denke ich mir: „Wow, wenn man sich so für seinen Freund schämt und ihn trotzdem noch in den Arm nimmt, … Ja, dass muss wohl Liebe sein.“
Es kann natürlich auch sein, dass sie ihn stützen musste, damit er nicht umfällt …. aber trotzdem.

Keine Kommentare: